Landrat Achim Hallerbach, Kreisbeigeordneter Michael Mahlert und Bürgermeister Jan Ermtraud besuchen Bad Hönninger „Vorzeigeprojekt“ – Kreis übernimmt die Kosten

Bad Hönningen/Kreis Neuwied. 55 neue Nachbarn hat Michael Matz seit einigen Wochen. Ukrainer, die auf der anderen Straßenseite wohnen. Die Verbandsgemeinde hat Container auf der Fläche neben dem Aldi-Markt aufgestellt, um dem großen Flüchtlingszustrom Herr zu werden. Man kennt sich vom Sehen, nickt sich zu. Verständigen fällt schwer. Die Sprachbarriere ist hoch. Als es in der Silvesternacht circa 1.30 Uhr ist, nimmt Michael Matz trotzdem drei Kisten Kölsch in die Hand und geht einfach `rüber. „Wir haben uns mit Händen und Füßen unterhalten und richtig schön zusammen gefeiert. Später hab ich sie dann noch mit zu uns genommen“, erzählt der gebürtige Kölner und attestiert mit einem breiten Lachen: „Ist ganz schön spät geworden.“

Eine kleine Geschichte nur. Aber eine, die für Landrat Achim Hallerbach, Kreisbeigeordneten Michael Mahlert und Verbandsgemeindebürgermeister Jan Ermtraud äußerst ermutigend ist. Sie zeigt, dass dezentrale Wohncontaineranlagen funktionieren können. Und solche Lösungen sind für sie in der derzeitigen Situation das Mittel der Wahl.

Fast 3500 Flüchtlinge, zum weit überwiegenden Teil aus der Ukraine, hat der Kreis Neuwied im vergangenen Jahr aufgenommen. Zum Vergleich: In den beiden Jahren der sogenannten Flüchtlingskrise – 2015 und 2016 – waren es nie mehr als 1650. Gelungen ist das dank großen bürgerschaftlichen Engagements. Trotzdem mussten auch die Gemeinden sehr viele Menschen unterbringen. Und das wird immer schwieriger. Der vorher schon angespannte Wohnungsmarkt ist mittlerweile praktisch leergefegt. So wurden im Kreis Neuwied bereits ein geschlossenes Hotel angemietet und eine Gemeindehalle umfunktioniert. Auch eine Sporthalle wird als Flüchtlingsunterkunft genutzt. „Das war in diesem Fall nicht anders möglich, soll jedoch eine Ausnahme bleiben“, unterstreicht Landrat Achim Hallerbach. Die Unterbringung in Sporthallen könne keine dauerhafte Lösung sein, sondern nur ein „erstes sicheres Dach über dem Kopf“, nur ein temporärer Übergang. „Dort fehlen insbesondere Rückzugsbereiche für Familien und Kinder. Eine zügige Integration gelingt aber nur, wenn den Flüchtlingen auch ein adäquater Wohnraum vermittelt werden kann, der im Kreis Neuwied kaum noch vorhanden ist“, macht der Landrat deutlich. Die Alternative zur mittelfristigen Unterbringung seien daher momentan dezentrale Wohncontainerstandorte. „Einkaufen, Begleitung bei Behördengängen, menschliches Miteinander: Hier können Nachbarschaftsnetzwerke und bürgerschaftliches Engagement vor Ort bei der sozialen Integration helfen,“ ist er sicher.

Wohnraum fehle und könne von den Kommunen nicht einfach gebaut werden. „Aber wenn die Gemeinden Flächen für Wohncontainer zur Verfügung stellen, unterstützen wir den dortigen Aufbau und übernehmen die vollständigen Kosten“, sagt der Kreischef und hält fest, „dass wir uns keinesfalls in Sicherheit wiegen dürfen, weil wir bei den Zuweisungen von ukrainischen Flüchtlingen in den Kreis Neuwied momentan eine gewisse Entspannung sehen“.

Denn Rheinland-Pfalz liegt im Bundesvergleich bei der Flüchtlingsaufnahme über dem Schnitt und gilt daher als Geberland. Zusätzlich liegt der Kreis Neuwied bei der Aufnahme von ukrainischen Flüchtlingen im internen Landesvergleich um 22,61 Prozent über der Quote. „Wir rechnen derzeit nicht mit größeren Zuströmen“, teilt der zuständige Kreis-Referatsleiter „Asyl“, Stefan Henzel, mit. Aber das ist eben nur eine Momentaufnahme.  „Wir hoffen alle auf Frieden, müssen aber befürchten, dass der Krieg noch andauert. Und die Lage kann sich auch dramatisieren und zu nochmals stark steigenden Flüchtlingszahlen führen“, sagt Landrat Achim Hallerbach.

Unabhängig von den Ukrainern sind seitens des Landes für den Kreis im ersten Halbjahr 2023 steigende Zuweisungszahlen bei der Aufnahme von Flüchtlingen aus anderen Nationen zu erwarten, die der Kreis nach dem sogenannten „Königsteiner Schlüssel“ der Stadt Neuwied sowie den Verbandsgemeinden zuweisen muss. „Die Verpflichtung ergibt sich aus dem rheinland-pfälzischen Landesaufnahmegesetz“, macht Landrat Achim Hallerbach deutlich.

Kreisbeigeordneter Michael Mahlert arbeitet daher gemeinsam mit den Verbandsgemeinden daran, dass im Kreis weitere Wohncontaineranlagen wie in Bad Hönningen gefunden werden. „Wir brauchen solche Modelle mit überschaubaren Größenordnungen“, findet er und lobt das „Vorzeigeprojekt“, das Jan Ermtraud und seine Mitarbeiter innerhalb von drei Monaten auf die Beine gestellt haben. Der wiederum kann „die Blumen“ nur zurückgeben. „Die Kommunikation mit den Kollegen in der Kreisverwaltung war hervorragend, die Zusammenarbeit hat wirklich gut funktioniert“, betont er und vergisst dabei auch nicht, dafür zu danken, dass der Kreis die Kosten trägt.