Angriff vom 11. November 1944

Lahnstein. Am 11. November 2025 jährt sich der schwerste Angriff auf Lahnstein mit 222 Toten zum 81. Mal. Aus diesem Anlass wird eine Stimme von damals hörbar: der dem Stadtarchiv Lahnstein zur Verfügung gestellte Zeitzeugenbericht von Rolf Herrmann aus Dortmund, der als Jugendlicher im Lahnsteiner Ortsteil Hohenrhein lebte. Seine Erinnerungen machen spürbar, was die nüchternen Zahlen allein nicht vermitteln können.

„Mutter war mit uns vier Kindern vor den Bombardierungen des Ruhrgebiets ins schwiegerelterliche Haus in Hohenrhein geflohen. Ich besuchte das Gymnasium am Schillerpark und in dessen Keller erlebte und überlebte ich einen schweren Luftangriff, bei dem ein Flügel der Schule zerstört wurde (Bombardierung vom 11.11.1944).

Wir hatten uns als Kinder doch sehr an Luftalarm mit Voralarm, Hauptalarm mit mehr oder weniger fernem Flakabwehrfeuer, dem Brummen von Bomberverbänden und dumpfen Bombeneinschlägen gewöhnt und es war ein verbotenes, aber sehr beliebtes Spiel, bei Fliegeralarm im Schulkeller in den Flügel zu gehen, in dem freundliche Männer ihren Dienst versahen, indem sie Meldungen über die Bewegungen der Feindflugzeuge empfingen, ergänzten und weitergaben.

Es gab auch im Radio damals verschlüsselte Nachrichten dazu. Ich erinnere mich an „Der Wind treibt die fliegenden Wolken.“ Und es gab Leute, die behaupteten, daraus den Klartext wie „Bomberanflug auf Koblenz“ oder „Christbäume über Mainz“ (herabschwebende Leuchtmarkierungen, die Stadtgebiete als Ziele für die nachfolgenden Bomber eingrenzten) oder ähnliches verstehen zu können.

An dem Tag des Angriffs wuchs mit dem Pfeifen und nahen Explodieren die Angst im Luftschutzkeller ins Unermessliche. Wer einmal Bomben pfeifen gehört hat, vergisst dieses Geräusch sein Leben lang nicht mehr. Laute Gebete von Frauen, Müttern in Angst um ihre Kinder, gingen in Panik und Angstgeschrei über, als die Schule selbst einen Volltreffer bekam. Das Licht erlosch, Putz fiel in Brocken von Decke und Wänden, Staub machte das Atmen schwer, die Frauen warfen sich kreischend vor Panik ausgerechnet in die Raumecke, in der ich saß. Was danach kam, ist in meiner Erinnerung ausgelöscht. Ich erinnere mich schemenhaft an Gasgeruch, an Personen, die die Feuerleiter, das heißt Metallstufen an der Wand, hoch zu einem hellen Kellerfenster hinausflohen.

Als erste klare Erinnerung setzt ein, dass ein Feuerlöschpolizist zu dem Kellerfenster herunterschaute und mich, der ich völlig verstört allein im Keller geblieben war, aufforderte herauszukommen, der Alarm sei lange vorbei. Ich habe mich nicht getraut und erst viel später gewagt, durch das zerstörte Treppenhaus über den Trümmerschutt auf den Schulhof hinauf zu klettern, wo einer der vielen Mauerbrocken mein Fahrrad getroffen hatte. Das Hinterrad war platt und verbogen.

Auf dem Rückweg nach Hohenrhein war ich unterhalb der Burg auf halbem Weg zur Farbfabrik, als Bomberverbände lauter und lauter heranbrummten. Wenn die viermotorigen in großer Anzahl im Verband flogen, dann erzeugten die leicht unterschiedlichen Drehzahlen der Propeller ein dumpf vibrierendes dröhnendes Getöse, das man deutlich im Bauch spürte und einen ganzen Wald zum Erbeben bringen konnte. Das im Bauch spürbare rhythmische Erlebnis suchen Jugendliche heute in der Disco. Damals habe ich heulend und zitternd am Stamm einer dort stehenden Pappel Schutz gesucht. Und damals habe ich zum ersten und einzigen Mal in meinem Leben aus tiefer Not richtig gebetet und um Rettung gefleht.

Am Bahnübergang, wo sich die Strecke von der Farbfabrik mit der von der Eisenbahnbrücke über die Lahn traf, hatte genau in dem Dreieck ein Ausbläser (eine Bombe, die erst tief im Boden explodiert war, aber keinen Krater ausgeworfen hatte) einen tiefen Schacht hinterlassen.

Meine Mutter hat später immer berichtet, nie wieder einen so bleichen Menschen gesehen zu haben. Die netten Männer an den Telefonen und Funkempfängern starben bei dem Angriff.“

In Erinnerung an den 11. November bietet Gästeführer Michael Eisenbarth am 16 und 23. November jeweils ab 14.00 Uhr die Themenführung „Auf den Spuren des Zweiten Weltkriegs“ durch Lahnstein an. Treffpunkt ist gegenüber dem Alten Rathaus, die Kosten betragen 6,00 Euro pro Person, Kinder und Jugendliche bis 12 Jahre sind frei. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

Bildunterzeilen:

Zerstörter Teil des Gymnasiums am Schillerpark (heutige Freiherr-vom-Stein-Schule), fotografiert um 1948 (Foto: Sammlung Stadtarchiv Lahnstein)