Stadtarchiv Lahnstein erhielt Protokollbücher und Fotografien aus den Jahren 1936 bis 1982

Lahnstein. Niederlahnstein hatte in den 1930er Jahren den Ruf des „größten Erdbeeranbaugebietes in Westdeutschland“. Daher war es kein Zufall, dass hier am 9. Januar 1936 die Obstverwertungsgenossenschaft für den Kreis St. Goarshausen eGmbH gegründet wurde. Später wurde sie umbenannt in Obst-Absatzgenossenschaft Rhein-Lahn eGmbH und bestand bis 1982.

Die Details der genossenschaftlichen Vermarktung sind nachzulesen in acht Protokollbüchern, die jetzt das Stadtarchiv Lahnstein vom Filsener Hobbyhistoriker Alfred Neckenich erhalten hat. Neckenich, der seit Jahren zum Wein- und Obstbau forscht, hatte die Unterlagen vor zwei Jahren von Werner Becker aus Filsen erhalten. Der inzwischen 89-Jährige Becker war früher selbst Obstanbauer und hatte über Jahrzehnte verschiedene Funktionen im Vorstand und Aufsichtsrat der Obstabsatzgenossenschaft inne. Geschäftsführer der Obst-Absatzgenossenschaft Rhein-Lahn war Fritz Miemietz (1906-1971). Bei der Annahme in Lahnstein und später beim Verkauf in Osterspai half die Büroangestellte Maria-Theresia Bauer, die jetzt auch fünf Medaillen dem Stadtarchiv Lahnstein übergeben hat. Die Medaillen erhielt die Genossenschaft vom Zentralverband des deutschen Gemüse-, Obst- und Gartenbaues auf mehreren Bundesgartenschauen in den 1950er und 1960er Jahren bzw. von der Landwirtschaftskammer Rheinland-Nassau für „Leistungen im Gartenbau“ verliehen.

Annahmestellen der Obstabsatzgenossenschaft Rhein-Lahn befanden sich damals in Wellmich, Kestert, Kamp, Filsen, Osterspai, Braubach, Ober- und Niederlahnstein. Von der Stadt Niederlahnstein wurde 1936 eine Markthalle auf dem dafür angelegten Marktplatz errichtet. 1951 wurde eine neue, eigene Genossenschaftshalle in der Johann-Baptist-Ludwig-Straße erbaut. Eine weitere Außenstelle befand sich an der Grenze zu Horchheim, dort wo zurzeit das Baugebiet „Alte Markthalle“ entsteht. Angenommen wurden vor allem Süßkirschen, Sauerkirschen und Erdbeeren, aber auch Pfirsiche, Zwetschen und Äpfel. Um 1960 erreichte der Obstanbau einen zweiten Höhepunkt. Bis 1964 wurde an jeder Annahmestelle das Obst versteigert; die Händler folgten dem Lastwagen der fahrbaren Versteigerungsuhr. Ab 1964 wurde das Obst des Einzugsbereichs zentral in Niederlahnstein versteigert. Als Aufkäufer traten vor allem Großhändler auf, die das ersteigerte Obst an den Einzelhandel weiterverkauften. Die Liberalisierung der Märkte durch Aufhebung der Einfuhrbeschränkung für ausländische Erzeugnisse sorgte für einen stetigen Rückgang. Dies ging einher mit dem Verlust von Anbaufläche durch die Ausweisung von Baugebieten und den Bau der Umgehungsstraße. Die Nachfahren der früheren Züchtergeneration gaben den Anbau nach und nach auf, zumal der Obstanbau als Handarbeit beschwerlich und der Ertrag sehr vom Wetter abhängig war. Zur Genossenschaft gehörten im Jahr 1966 noch 2.455 Mitglieder, davon 72 Haupterwerbsbetriebe.

Im Mai 1982 fusionierte die Absatzgenossenschaft mit der Raiffeisenbank eG Lahnstein und bildete fortan deren Abteilung Obstvertrieb. Die Genossenschaftshalle in Lahnstein wurde verkauft. Gleichzeitig wurde die Anzahl der Annahmestellen reduziert auf Osterspai und Filsen, wo es auch Dünge- und Spritzmittel und andere landwirtschaftliche Produkte zu kaufen gab. Auch der Erzeuger-Großmarkt Koblenz wurde Mitte der 1980er Jahre aufgelöst, sodass das Obst der gesamten Region in Mülheim-Kärlich angenommen und von dort zur Versteigerung auf den Zentralmarkt nach Bornheim-Roisdorf (Rhein-Sieg-Kreis) gebracht wurde. Dazu waren auch die Obstbauern aus dem Rhein-Lahn-Kreis gezwungen, nachdem die letztverbliebene Annahmestelle Filsen geschlossen wurde. Die Raiffeisenbank Lahnstein fusionierte unterdessen 1999 mit den Volksbanken in Diez und Lahnstein zur Volksbank Rhein-Lahn eG.

 

 

Bildunterzeilen: Bild 1: Aktenübergabe im Stadtarchiv durch Alfred Neckenich (Foto: Bernd Geil / Stadtverwaltung Lahnstein)