„Unterm Bett liegt ein Skelett“, behauptet einer von Arne Rautenbergs Gedichtbänden für Kinder im Titel, auf dem Cover grinst den Leser:innen ein von der bekannten Illustratorin Nadia Budde gezeichnetes weißes Gespenst mit roten Augen entgegen. Mit viel Sprachwitz, aber doch immer im Bewusstsein der Tradition (zu der etwa Wilhelm Busch, Joachim Ringelnatz und Christian Morgenstern gehören dürften) reimt und fabuliert Rautenberg, was die Tinte hergibt. Mit den Illustrationen, auch vom (leider verstorbenen, vielfach preis-) gekrönten Bilderbuchkönig Wolf Erlbruch, sind so Gesamtkunstwerke entstanden.
Aber auch für Erwachsene hat Rautenberg – der 2022/23 als Rompreisträger ein knappes Jahr in der Villa Massimo weilte – einiges zu bieten. Sein 2002 erschienener Debütroman Der Sperrmüllkönig sei, so Christoph Jürgensen seinerzeit in der Süddeutschen Zeitung, „intelligent und amüsant geschrieben“. Und zu dem 2023 erschienenen Gedichtband für Erwachsene mit dem Titel sekundenfrühling hat kein Geringerer als Durs Grünbein das Nachwort verfasst.
Mit seiner Lyrik, mit Gedichten für Kinder und seiner visuellen Poesie ist Arne Rautenberg einer der vielseitigsten zeitgenössischen Dichter im deutschen Sprachraum. Wer also beispielsweise erfahren möchte, weshalb Montag Mützenfalschrumtag ist und was Superman im Supermarkt macht, der sei herzlich zu Rautenbergs Poetikvorlesungen in Koblenz eingeladen.
Die Joseph-Breitbach-Poetik-Dozentur hat Rautenberg unter das Motto gestellt: „Bis man vergisst sich an das zu erinnern was noch nicht geschehen ist“.
5 Termine in Koblenz
Den ersten Termin im Rahmen von „ganzOhr“ am 13. März 2024 um 20:00 Uhr in der Kulturfabrik Koblenz hat er mit „Sekundenfrühling“ überschrieben, er nennt ihn eine „Querbeet-Lesung“. Aus Bruchstücken unserer Zeit und dem persönlichen Erleben baut Arne Rautenberg Brücken: Was nicht mehr ist, scheint wieder auf – was noch nicht ist, eröffnet sich. Seine Gedichte berühren, weil sie intuitiv dem kleinen Wahnsinn nachgehen, der unser Leben lebenswert und unsere Gedanken denkenswert macht. Querbeet liest er durch seine letzten Gedichtbände sekundenfrühling (2023), betrunkene wälder (2021) und permafrost (2019 – alle im Verlag Das Wunderhorn). Die ‚Superkräfte‘ Kunst und Natur verbinden sich darin zu einer lebensintensivierenden Melange.
Der zweite Termin, am 18. Juni 2024 um 18:00 Uhr in der Stadtbibliothek, heißt „Die Tarantel tanzt“ und ist als moderiertes Gespräch mit Musik geplant. Dabei geht es um die Frage: Was können Kindergedichte, was Erwachsenengedichte nicht können? „In Kindergedichten kann ich helle Energien aufbauen – in Erwachsenengedichten kann ich hingegen den schwarzen Energien nachgehen. Doch in einem Punkt mischen sich beide Zuweisungen auch: Gespielt wird in jedem Fall immer“, so Rautenberg.
Der nächste Termin ist dieses Mal der universitären Lehre vorbehalten: In seinem Seminar „Nachts schreiben um am Tag nicht verloren zu gehen“ an der Universität am 19. Juni 2024 wird Rautenberg ein Gespräch mit Studierenden über die Bedingungen des Schreibens von Lyrik führen, Einblicke in die Werkstatt anhand einzelner Gedichtbeispiele geben und Einschätzungen über die aktuelle Lyrikszene zur Diskussion stellen.
Am 19. Juni 2024 um 18 Uhr folgt dann bei freiem Eintritt eine öffentliche Poetikvorlesung in der Aula der Universität Koblenz unter dem Titel „Bis man vergisst sich an das zu erinnern was noch nicht geschehen ist“. Dazu Rautenberg: „Ich lebe mein Leben im Spannungsfeld zwischen DANKE und WARUM. Dabei habe ich keine vorgefasste Meinung, komme so unvorbereitet wie möglich jede Nacht ins Gedicht, lese beim Schreiben und schreibe beim Lesen, höre mir zu und suche den mir interessantesten Weg. Ich bin im großen Gespräch mit anderen Dichterinnen und Dichtern, quer durch Zeit und Raum hinweg. Ich kann zulassen und überwinde Grenzen, die andere nicht überwinden können. Die Poesie ist mein System des Sich-Erhaltens aus eigener Kraft.“
Den Abschluss der Poetik-Dozentur 2024 bildet am 20. Juni 2024 standesgemäß eine Lesung Rautenbergs für Schulklassen, organisiert von der Stadtbibliothek mit anschließendem Gespräch Arne Rautenbergs mit den Schüler:innen über seine Gedichte.
Biografische Informationen
Arne Rautenberg, geboren 1967 in Kiel, lebt als Dichter und Künstler in seiner Geburtsstadt. Von 2006 bis 2020 war Arne Rautenberg Lehrbeauftragter an der Muthesius Kunsthochschule Kiel. 2013 hatte er die Liliencron-Dozentur für Lyrik an der Christian-Albrechts-Universität inne. 2016 erhielt er mit dem Josef-Guggenmos-Preis den ersten Preis für Kinderlyrik, der je in Deutschland vergeben wurde. 2017 wurde Arne Rautenberg in die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung gewählt, 2018 in die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendliteratur. 2020 erhielt Arne Rautenberg die Poetik-Dozentur am Literaturinstitut Hildesheim, das Hermann-Hesse-Stipendium und den Kulturpreis der Stadt Kiel. 2022/23 war er Rompreisträger der Villa Massimo in Rom.
Zuletzt erschienen der bereits erwähnte, existentielle Gedichtband sekundenfrühling (Verlag Das Wunderhorn 2023) und der Kindergedichteband mut ist was gutes mit Bildern von Wolf Erlbruch (Verlag Peter Hammer 2023). Zudem erscheinen Rautenbergs Gedichte in einschlägigen Sammlungen (Reclams großes Buch der deutschen Gedichte, Der ewige Brunnen) und in Schulbüchern.
Zur Joseph-Breitbach-Poetikdozentur
Die Joseph-Breitbach-Poetikdozentur wird seit 2021 für besondere literarische Leistungen in den Genres Lyrik oder Drama verliehen, die sich für Verständigung und Toleranz einsetzen.
Gefördert wird die Poetik-Dozentur vom Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration des Landes Rheinland-Pfalz, dem Freundeskreis der Universität Koblenz- Landau, der Stiftung Universität Koblenz, der Koblenzer Kultur Stiftung und dem Theater Koblenz. Die Organisation der Joseph-Breitbach-Poetik-Dozentur in gemeinsamer Trägerschaft von Stadt und Universität Koblenz liegt bei der Koblenzer Dezernentin für Bildung und Kultur PD Dr. Margit Theis-Scholz, dem Professor für Neuere deutsche Literatur an der Universität Koblenz, Stefan Neuhaus, und Markus Dietze, Intendant des Theaters Koblenz; sie wird vom Theater Koblenz ermöglicht.
“Die in Koblenz geschaffenen, jährlich neu vergebenen Poetikdozentur erweitert das vielseitige Koblenzer Literaturprogramm um ein bedeutsames und inspirierendes Element und bringt erfolgreiche Autor:innen auch auf diesem Wege dem Publikum näher bringen”, kommentieren Dietze, Neuhaus und Theis-Scholz die Ankündigung.
Fotos: (c) Birigt Rautenberg