Zum ersten Mal ist die neu eingerichtete Joseph-Breitbach-Poetikdozentur vergeben worden, und zwar an eine der bekanntesten Schriftstellerinnen nicht nur Österreichs, sondern des gesamten deutschen Sprachraums.
 
Marlene Streeruwitz stellt ihre Dozentur unter die Überschrift „Geschlecht. Zahl. Fall. Person. Zahl. Zeit.“ und wird nun kurzfristig zu zwei Terminen in Koblenz zu Gast sein können:
 
Die beiden im Rahmen der Poetik-Dozentur kurzfristig möglichen öffentlichen Veranstaltungen werden am Donnerstag, 10. Juni 2021 sowie am Mittwoch, 16. Juni 2021 jeweils um 20:00 Uhr im Theater Koblenz stattfinden. Vor Ort kann eine nach den aktuellen Regelungen eng begrenzte Zuschauerzahl teilnehmen, beide Veranstaltungen werden allerdings live über die Website des Theaters Koblenz kostenfrei gestreamt.
Ein öffentlicher Vortrag von Marlene Streeruwitz an der Universität Koblenz wird voraussichtlich im Herbst 2021 nachgeholt.
 
Marlene Streeruwitz studierte zunächst Slawistik und Kunstgeschichte in Wien. Seit 1992 werden ihre Theaterstücke auf zahlreichen Bühnen gezeigt, so ist beispielsweise Ende 1993 „Ocean Drive“ vom Kölner Schauspiel uraufgeführt worden. Dabei begleitet sie den Theater- und Literaturbetrieb stets kritisch. Auch in der Prosa ist sie sehr erfolgreich, beginnend 1996 mit ihrem ersten Roman „Verführungen. 3. Folge. Frauenjahre“, der Titel weist bereits auf das für ihre Texte typische Spiel mit den Leserinnen und Lesern hin. 2019 erschien Streeruwitz‘ bisher letzter Roman „Flammenwand“. Die Autorin hat bereits eine beeindruckende Erfahrung als Poetik-Dozentin, etwa in Tübingen und Frankfurt, den wohl bedeutendsten Poetik-Dozenturen in Deutschland.
 
Alle Texte der Autorin sind extrem sprachbewusst und haben einen unverwechselbaren Stil. Die gebrochene Syntax mit ihrer – auch im Motto der Koblenzer Poetik-Vorlesungen deutlich ausgestellten – elliptischen Struktur führt, wie die diese Sprache sprechenden Figuren auf der Bühne, eine Suchbewegung vor. Es geht um nichts weniger als um das Dasein in einer unübersichtlich gewordenen Welt, wobei vor allem soziale und Geschlechter-Rollen im Mittelpunkt stehen, die durch politische wie ökonomische Macht bestimmt werden und die es in raffinierten Inszenierungen zu dekonstruieren gilt.
So erklärt etwa die reiche Schauspielerin und Geschäftsfrau Elisabeth in „Ocean Drive“ ihrem designierten Biographen Leonard: „Und das Problem ist überhaupt, dass man eine ist. Eine Frau. – Spielen Sie sich nicht so auf. So rechtschaffen. Diese Welt, in der die Menschen so vor sich hinleben. Dies ist doch von Euch gemacht worden. Das ist doch Eure Welt. – Ich habe mich nur gewehrt.“ Doch ist dies nur die halbe Wahrheit. Auch Elisabeth ist eine Täterin, die auf Gewalt mit noch mehr Gewalt antwortet und zum Schluss den Lügner Leonard mit einem Messer durch das Auge ersticht.
Die von der Stadt Koblenz und der Universität Koblenz-Landau getragene Poetik-Dozentur wird ab 2021 für Drama und Lyrik jährlich im Wechsel verliehen. Mit der neu eingerichteten Dozentur sollen Persönlichkeiten ausgezeichnet werden, die sich mit ihrer Literatur, aber auch mit ihrer Persönlichkeit in der Nachfolge von Joseph Breitbach (geb. am 20.09.1903 in Koblenz-Ehrenbreitstein; gestorben am 9.05.1980 in München) maßgeblich für Grenzen überschreitende Toleranz und für eine humanere Welt einsetzen. Breitbach ist als junger Mann wegen seiner Homosexualität von der Gesellschaft ausgegrenzt worden. Er hat stets soziale Missstände kritisch reflektiert, auch deshalb wurden seine Bücher 1933 von den Nationalsozialisten verbrannt und verboten. Breitbach gilt als einer der Architekten der deutsch-französischen Freundschaft in der Nachkriegszeit.
Der Schriftsteller Breitbach ist für seine Dramen, Romane und Erzählungen bekannt. Ausgezeichnet werden sollen mit dem Preis aber vorrangig Leistungen im Bereich der Gegenwartsdramatik und der Gegenwartslyrik, um diesen heute im Literaturbetrieb eher marginalisierten Gattungen wieder zu mehr Geltung zu verhelfen und ihr kritisch-utopisches Potential hervorzuheben.
 
Gefördert wird die Poetik-Dozentur vom Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur des Landes Rheinland-Pfalz, dem Freundeskreis der Universität Koblenz-Landau, der Stiftung Universität Koblenz, der Koblenzer Kultur Stiftung und dem Theater Koblenz.
 
Die Organisation der Joseph-Breitbach-Poetikdozentur liegt bei der Koblenzer Kulturdezernentin PD Dr. Margit Theis-Scholz, dem Koblenzer Professor für Neuere deutsche Literatur, Stefan Neuhaus, und Markus Dietze, Intendant des Theaters Koblenz.
 
Karten für eine Teilnahme an den Veranstaltungen vor Ort, für die das aktuelle Hygienekonzept des Theaters Koblenz zu beachten ist, sind an der Theaterkasse im Forum Confluentes und über die Website des Theaters Koblenz zu erhalten.