Vor 360 Jahren: Verkündung des Rechts auf Religionsfreiheit

Religionsfreiheit ist ein Ausdruck einer toleranten Gesellschaft. In diesem Sinn hat die Stadt Neuwied eine lange Tradition. Vor 360 Jahren verkündete Graf Friedrich 1662 ein neun Punkte umfassendes gräfliche Stadtrechtsprivileg. Es enthielt als zusätzlichen Anreiz für neue Bürger großzügige Freiheitsprivilegien, unter anderem das Recht auf Religionsfreiheit. In der entsprechende Urkunde heißt es:  „Denen, die sich hier häuslich niederlassen wollen, welchen Standes und Religion sie auch immer sind, wollen wir besondere Freiheiten und Immunitäten versprechen, …“

Der von Oberbürgermeister Jan Einig initiierte Rat der Religionen nimmt die 360. Wiederkehr des Freiheitsedikts zum Anlass, den 4. Juni zum „Tag der Religionen“ auszurufen und entsprechend zu feiern. Der Tag beginnt mit einer Zusammenkunft am Engel der Kulturen in der Fußgängerzone. Umrahmt von Klezmer-Musik begrüßt Oberbürgermeister Jan Einig die Gäste, und Ihre Durchlaucht Isabelle Fürstin zu Wied trägt die gräfliche Originalurkunde zur Religionsfreiheit vor. Anschließend richten Vertreter verschiedener muslimischer und christlicher Gemeinden das Wort an die Versammelten. Das Treffen am Engel der Kulturen schließt mit einem Friedensgebet.

Dr. Josef Freise koordiniert mit Pfarrerin Renate Schäning, Geschäftsführerin des Diakonischen Werks im Kirchenkreis Neuwied, die Interreligiöse Dialoggruppe.  Beide sind überzeugt davon, dass grundlegende gemeinsame Werte die unterschiedlichen Religionen verbinden. „Dieses Gemeinsame kann Integrationskraft entwickeln und eine zentrale Bedeutung für ein gutes Zusammenleben aller religiösen und nichtreligiösen Menschen in unserer Stadt einnehmen“, unterstreicht Freise.

Der 4. Juni findet seine Fortsetzung mit dem gemeinsamen Gang zum Luisenplatz, wo während eines interreligiösen Frühstücks Gemeindemitglieder und Passanten ins Gespräch kommen können. Für Renate Schäning hat dieser Tag Signalwirkung: „Wir Neuwieder sollten uns noch intensiver und regelmäßiger mit den großen geschichtlichen Errungenschaften unserer Heimatstadt auseinandersetzen“, meint sie. „Religionsfreiheit ist ohne Frage ein sehr hohes Gut, vor allem wenn man bedenkt, an wie vielen Orten sie weltweit bedroht oder gar nicht existent ist.

 

Die Idee für den Tag der Religionen stammt von Ahmed Cömez, einem jungen Muslim. „Das zeigt, wie sehr sich die unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften unserer Stadt daran interessiert sind, eine gemeinsame Basis zu suchen, auf der ein fruchtbares und einvernehmliches gesellschaftliches Zusammenleben aller möglich ist“, betonen Schäning und Freise.

„Interreligiöser und interkultureller Dialog und Austausch haben in meinem Leben als Gastarbeitersohn schon immer eine große Rolle gespielt“, berichtet Ahmed Cömez. „Durch meinen Freundeskreis habe ich schon von Kindheit an verschiedene Glaubensrichtungen, Kulturen und Bräuche kennengelernt.“ Gegenseitiger Respekt und gegenseitige Verständnis hätten dabei immer im Vordergrund gestanden, so Cömez weiter. „Die Bedeutung der Religionsfreiheit für Neuwied hat mir meine Grundschullehrerin vermittelt. Dafür bin ich ihr sehr dankbar“, fasst Cömez zusammen.

Für Oberbürgermeister Jan Einig steht fest: „Es gibt die Überlegung, diesen Tag zu einer festen Einrichtung zu machen. Das findet meine volle Unterstützung. Damit machen wir weithin sichtbar, welch tolerantes Gedankengut diese Stadt prägte und immer noch prägt.“